2.08 – Verschluckt

Verschluckte Vokale

Neben der leserfreundlichen Anwendung von e und ä ist das sinnvolle Schreiben der stimmlosen Vokale die grösste Herausforderung beim Verfassen von Texten in unserem Dialekt.

Dem Davoser und dem Prättigauer Wörterbuch entnehmen wir (DW Verben mit Endung –e):

Bei ver wie bei zer muss man abwägen, was am besten zum gesprochenen Wort passt. Bei värändärä braucht es das ä, das Ohr verlangt es.

ver… sagt man, wenn sich etwas ohne Kraftanwendung verändert: vrgässä, värändärä, vrtuän, värraatä, vrliärä, vrtriibä… (vrtüüflä, vrdérpä sind Aussenseiter – aber sicher nicht zer…).

zer… heisst es, wenn etwas zerstört, die Form verändert wird: zrgaan, zrgenggä, zrbräglä, zrlächchärä, zrzausä, zrtriibä, zrschlaan, zrlìdä.

Auch innerhalb des Wortes werden nicht alle Vokale gesprochen, hier das Beispiel Winter.

Gesprochen wird bei uns Wintr, nicht Winter, Wintär oder Wintar. Zwischen t und r darf oder dürfte kein Vokal stehen. In einem Vers „Der Winter ist vergangen“ zeigt es sich, dass trotzdem eine Hebung und eine Senkung vorhanden sind und die Silben ungekürzt gesprochen werden, als Notbehelf sozusagen:

Där Win tär ischt vär gan gä.

Es sind fast durchwegs die e oder ä, die verschluckt werden. Auch in anderen alamannischen Dialekten werden Laute verschluckt und dementsprechend nicht geschrieben: Dirndl, Aschn (Asche), i mag s (ich mag es, ich mag sie). Im Schriftdeutschen begegnen wir vielen Auslassungen, ein Beispiel: Der Himmel ist blau, das Wetter ist schön, Kinderchen, wolln wir spazieren gehn? Und heute: Lidl anstatt Lidel.

Leider gibt es kein befriedigendes Schriftzeichen, das als Platzhalter dienen könnte, weder Winter noch Wintär, Wintar, Wint¦r, Wint’r, z Wint’rsch Ziit (zu des Winters Zeit), Wintər ( Den «Schwa» ə als Notbehelf kennt unsere Tastatur nicht).

Winter: Das Weglassen des e ist die klarste Lösung, da das Wort Wintr gut lesbar ist. Dazu gibt es viele Beispiele in den Wörterbüchern:

Was wir in den beiden Verzeichnissen nicht finden:

Bruädr            

Bruder (Mehrz., m: Brüädr) Das d und das r werden fliessend zusammengehängt wie im Wort Adria. Niemand spricht „Bruäder“.

übrmaarchä    

Über die eigene Parzellengrenze hinaus mähen. Im schriftdeutschen übrig hat es auch kein e zwischen b und r, also nicht überig.

vrdriässä        

Heimweh haben. vr wird ohne Unterbruch gesprochen. Nur wenn man betont langsam spricht, ist ein ä hörbar.

aprgchiid        

Es ist vorteilhaft, zwischen p und r kein e zu schreiben. Dank dieser Kürzung unterscheidet sich das Wort vom schriftdeutschen aper.

Brummlrnä     

Schmeissfliege (Mz.) Schreibt man Brummlärnä, liest man leicht Brumm lärnä, also Brumm und lernen. Es ist eine Ermessensfrage, wie stark man verkürzen soll.

Püntnrnä        

Oder doch eher Püntnärnä? Bündnerinnen. Auf jeden Fall nicht das schriftdeutsche Bündnerinnä.

Zrvretta          

Hans Plattner verkürzt in seiner Schrift «D Walser … » Silvretta zu Zrvretta.

fürhrgrupft     

Hüt würd ez amal där viärzehätägig Fuggs fürhrgrupft. (Prättigauer Wörterbuch)

Hier muss der Vokal geschrieben werden, um beim Sprechen einen kurzen Halt anzuzeigen:

Gruämäd         

Emd. In Gruämäd werden m und d nicht zusammengehängt, es gibt einen kurzen Unterbruch mit einem kaum hörbaren ä. Andernfalls hätten wir ein md wie in „Hemd“, also Gruämd.

waaräm          

warm. Hier dürfen r und m nicht aneinander gehängt werden.

är piischtäd    

er stöhnt. Das ä zwischen t und d ist kaum hörbar, aber unerlässlich.

schi häijänd    

sie hätten. (Konjunktiv), auch schi häiänd. häijänd sch Ziit? Hätten sie Zeit? (Konjunktiv) auch häiänd sch Ziit?

Bei der Konjugation der Verben (Startseite: 3 Sprachregeln) wird ebenfalls auf diese Schreibung verwiesen.