2.14 – Steter Verlust

Die grössten Veränderungen geschehen in unseren Ferienorten, wo man selbst bei manchen dort Aufgewachsenen den Walserdialekt nicht mehr erkennen kann. Noch vollständig erhalten geblieben ist er bei Personen, die in jungen Jahren in ein fremdes Sprachgebiet zogen. Die zuverlässigste Auskunftsperson in Peist war Kätherli Donau, Uhrmacherlehrtochter und dann Uhrmacherin in Le Locle. Sie verwendete bei ihren seltenen Besuchen in Peist gern ihre Muttersprache, die sie so bewahrt hatte, wie wir sie von Chroonä Niini hören (Tondokument von 1926), und wie sie nur noch von den ältesten Bewohnern gesprochen wird. Herausgeber: Walservereinigung Graubünden: Bündner Walser erzählen.

Nur noch wenige alte Leute erinnern sich an die aussterbenden Begriffe. Wer weiss noch, was ein Türpiischtel (Tüürpiischtl) ist? Toni Butzerin (Jg. 1934) kennt noch die besonderen Namen Torhund und Torhoorä. (Foto: Ausschnitt aus dem Titelbild «Dörfligeischt Peist»), bearbeitet und mit Bezeichnungen versehen.

Fient vergleicht die Drachen mit «Latuechji, grossi wie Übertürner».

In Luzein hört man Tschätschel (Tschätschl) für Tannzapfen nur noch selten. In Peist geht es mit Suul ähnlich. Ä Suul ist ein starker Pfosten, den man vorzugsweise setzt, nicht nur gespitzt in den Boden schlägt. äi Suul – zwäi Süül, nicht etwa Süülä (Säulen).

Wie die Zeit vergeht

Wohl noch verstanden, aber kaum mehr gebraucht seit vielleicht

1950

Schi sind schlems dür ds Boord uuf ggloffä.
Sie gingen schräg über den Abhang hinauf.

1955

Das ischt ganz äs äschprs Chind.
Das ist ein ganz munteres Kind.

1960

Hüt bliibt s hübsch, dr Gchäi glenggt bis fascht an ds Doorf.
Heute bleibt es schön, der Dunst reicht bis fast an das Dorf.

1965

Das ischt äs lüäms Männli.
Das ist ein schwächliches Männchen.

1970

I mag s fascht nid ärbäitä.
Ich kann es fast nicht erwarten. (bäitä – warten, auch im Unterland)

1975

Äsoo än hooräiti Chuä gfald mr nid.
Eine so grosse magere Kuh gefällt mir nicht.

1980

Hüt chan i d Häärdöpfl nid bsalä.
Heute kann ich die Kartoffeln nicht bezahlen.

1985

Iär chönd mr ds Gääld moorä gään. (Höflichkeitsform)
Ihr könnt mir das Geld morgen geben. (anstatt du)

1990

I chumä wäidli bin Äu vrbii! (Äu: höfl. bei alten Leuten)
Ich komme schnell bei Euch vorbei (meist nur 1 Person).

1995

Diini Tiirig han i uf m Schtrich.
Dein fortwährendes Betteln ist mir zuwider.

2000

Diä Birä sind mr z täigg.
Diese Birnen sind mir zu weich.

2005

Wiär häind viil Umuäs mimmä.
Wir haben viele Schwierigkeiten mit ihm.

2010

Schi muäs bäizä bim Meeä.
Sie muss sich abmühen beim Mähen.

2015

Är mag dr Schtäin nid ärwäiggä.
Er vermag den Stein nicht zu bewegen.

2020

Schi bätschgäd a mä Schtuck Holz.
Sie schnitzt an einem Stück Holz.

Noch allen bekannt und von vielen gesprochen

Viele werden noch gesprochen

Bröckeln ab

Nur noch selten zu hören

Wer kennt sie noch?

Das Buch Prättigauer Dialekt «Wörter», Herausgeber: Pro Prättigau, Küblis 2014, und das Davoserdeutsche Wörterbuch, Walservereinigung Graubünden, waren eine grosse Hilfe beim Formulieren der Erklärungen.

Anpassung des Adjektivs an das Nomen

Dieser Verlust geht einher mit jenem der Angleichung des Artikels im Akkusativ maskulin:

*Kolumne von Leonie Barandun-Alig in der SO vom 8. Febr. 2021, Vum eifàch màcha: Ds Jààr ischt scho mee as an Màànat ààlts