7.07 – Im Heuzug

Galtji und Strom

Mein Leben zwischen Bergbauer und Ingenieur

Hans Kästli-Kleinert, Luzein, 1936-2015

Hans hat einige seiner Erinnerungen auf Wunsch seiner Familie in einer kleinen Schrift festgehalten, diese aber nicht veröffentlicht. Im Heuzug beschreibt er eine strenge bäuerliche Arbeit, welche die jungen Bauern nur noch vom Hörensagen kennen. Das folgende Kapitel (Seiten 19 bis 21) wird hier im Einverständnis mit seiner Frau Brigitte wörtlich übernommen. Flurnamen und Dialektwörter sind hervorgehoben.

Im Heuzug

Diese recht strenge Winterarbeit war nichts für uns Kinder. Aber bereits mit 15 oder 16 wurde für mich auch diese Tätigkeit aktuell. Schon früher ging ich mit Hitsch und dem Ätti ein-, zweimal mit, um zu wissen, wie so etwas geht. Mein erster richtiger Heuzug war zugleich der Strengste. Aus der Pargatscheri mussten Hitsch Hartmann (Ratzi-Hitsch) und ich für unsere Nachbarin, die Galenna-Betta, Heu aus der Pargatscheri herunter holen. Sohn Kaspar oder Hap, wie man ihn nannte, war damals in der RS. Es war ein recht schneereicher Winter und dementsprechend schlechte «Wägsami«. Kaum war’s recht Tag, ging das Abenteuer los. Alle benötigten Utensilien standen parat: Heuschlitten, Zugseil, Burdiseil mit genügend «Trüägglen«, Schneeschaufel, Schroteisen und natürlich «Spiis«. Ausgestattet mit gutem Schuhwerk und währschaften Wadenbinden machten wir uns auf den Weg. Hitsch mit dem Schlitten auf dem Rücken, während ich vorzog, denselben zu ziehen. So gings Schritt um Schritt bergan. Um für den Rückweg schon eine Spur zu legen, gingen wir über Pany und die unteren Maiensässe hinauf bis in Rofflersch Büäläwiis und dann westwärts bis in die Pargatscheri.

Ausgelegtes Burdiseil.
Statt des hier abgebildeten Hanfseils bestand des Zugseil meist aus einer Lederstricke.

Nach einer Verschnaufpause musste ich zuerst ein «Bett» machen, d.h. den hohen Schnee vor dem Tor wegschaufeln, während Hitsch mit Schroten begann. Ein Schrot war etwa 80 mal 80 cm. War das Bett bereit, wurde zuerst das Zugseil, meist eine Lederstricke mit Spola, der Länge nach ausgelegt. Darüber legte man das Burdiseil in genau festgelegter Art und Weise aus. Immer in einer zickzack-Linie einmal links des Zugseils, dann wieder rechts und immer beim Richtungswechsel eine Trüäglä einziehen. Das ganze Seilgebilde war dann etwa 1.5 m breit und hatte die Länge des Schlittens. War alles gerüstet, gings an’s Laden. Zu diesem Zweck stiess Hitsch in einer Tiefe von vielleicht 40 cm beide Arme unter das freigeschrotete Heu und hob es an. Diese Arbeit musste vorsichtig getan werden, damit sich wenig Heu von der abgehobenen Schicht (Pletschä, wie man dem sagte) löste. Diese Pletschä wurden nun vorsichtig auf die gerüsteten Seile gelegt. Dann wurde wieder geschrotet und die nächste Pletschä wurde geladen, zwei hintereinander. War die Burdi mannshoch, wurde gebunden. Diese Arbeit erforderte wenn möglich die Anwesenheit von zwei Leuten, sodass der Heuzug kaum von einer Person allein bewältigt werden konnte. Das Ende des Seils wurde nun über das Fuder geworfen. Auf der andern Seite zog der zweite Mann das Ende durch die erste Trüägglä und warf es wieder zurück auf die andere Seite und so ging es weiter bis zur letzten Trüägglä. Im gleichen Rhythmus wurde nun das Seil schritt- oder feldweise angezogen, bis eine kompakte Burdi vor uns stand. Jetzt noch das Zugseil festziehen und das ganze Fuder auf den Schlitten laden. Zu diesem Zweck wurde die Burdi zur Seite gelegt, der Schlitten darunter geschoben und dann Burdi und Schlitten wieder zurück gekippt. Damit war alles für den Transport bereit. Vorher aber wurde tüchtig «gespieslet». Mama hatte mir ein Härdopfelwürstli und Brot eingepackt. Danach kam der Aufbruch.

Trüägglä, noch aus ds Ehnisch Beständen

Im tiefen Schnee sank das schwere Gefährt tief ein und es ging nur sehr mühsam vorwärts. Auf dem flachen Teilstück von der Pargatscheri bis in die Büäläwiis wurde je ein Schlitten gemeinsam gezogen bzw. geschoben, dann der andere. Nun gings mit merklich weniger Anstrengung bergab über Planariend, Hitsch Salzgebersch Maiensäss, der Kalberweide in die Kantonsstrasse und weiter bis nach Galenna. Alles verlief gut. Allerdings der kurze aber giftige Aufstieg von der Strasse in Galenna bis auf den Stall erforderte wieder Gemeinschaftsarbeit. Dafür wurden wir von der Betta mit dem weitherum bekannten selbergemachten Hefering belohnt.