1.5 – Schanfigg


Das Schanfigg wird von alten Einheimischen „Tschalfigg“ genannt. Der ursprüngliche Flurname geht auf das Romanische oder gar Keltische zurück.

Foto: Andrea Heinrich

Urkunden belegen, dass die Siedlungen von Maladers bis St. Peter schon vor rund tausend Jahren bestanden (Friedrich Pieth, Aus der Geschichte des Tales Schanfigg, 1951). Wir dürfen annehmen, dass es auch das Dorf Peist damals schon gab. Alles waren Haufendörfer ohne einzelne Höfe ausserhalb der eng gebauten Siedlungen, und allen war damals die romanische Sprache gemeinsam.

Von Davos herüber besiedelten Walser Arosa, das Sapün, Fondei und Langwies. Die weitere Expansion talauswärts, auch nach Tschiertschen und Praden, wird nicht ohne Widerstand der ansässigen romanischsprechenden Bevölkerung vonstatten gegangen sein. Zur Sprache schreibt Paul Zinsli in «Walser Volkstum», dass die Stadt Chur kaum einen Einfluss hatte. «Vielmehr ist die ganze Talschaft bis auf das letzte Dörfchen Maladers unmittelbar hinter der Stadt in der neuen Mundart durch das Walserdeutsch von Langwies entscheidend geformt worden.»

Charakteristisch für das Schanfigg sind das Personalpronomen wiär (wir) und das Wort gschwünd (geschwind).

Was für das Schanfigg gilt, trifft auch für Davos und in geringerem Mass für das Prättigau zu: Die Alten sprechen den Dialekt noch, von den Jungen sind es immer weniger. Christian Patt zitiert in seiner Schrift „Schanfigger Wörter“, Wörter aus Lüen, Castiel und Calfreisen, herausgegeben 1986, den Sprachfachmann Dr. Paul Zinsli: «Manches wird bloss noch verstanden, nicht mehr gebraucht. Es gehört bloss noch zum passiven Wortschatz.» In seinem Buch «Walser Volkstum«, 5. Auflage von 1986, widmet Zinsli 60 Seiten der Sprache.

Im Zuge der von der gegenwärtigen Bündner Kantonsregierung und dem Grossen Rat geförderten Gemeindefusionen haben sich alle Gemeinden auf der rechten Talseite des Schanfiggs, ausgenommen Maladers, auf den 1. Januar 2013 der Gemeinde Arosa angeschlossen. Sie sind folglich nur noch Dörfer oder Siedlungen innerhalb der Gemeinde Arosa. Amtshandlungen laufen über die Aroser Verwaltung oder über Chur, was den Walserdialekten im Tal nicht förderlich ist. Maladers hat im Jahr 2019 mit Chur fusioniert und ist seit dem 1. Januar 2020 auch keine selbstständige Gemeinde mehr.

Die in der Gemeinde Arosa aufgegangenen Dörfer sind auf den guten Willen der Aroser Stimmberechtigten angewiesen, die im Tal eine erdrückende Mehrheit bilden. Die kleinen Schulen haben einen schweren Stand.


Die folgende Übersichtskarte, google earth entnommen, zeigt die fünf Schanfigger Regionen mit den unterschiedlichen sprachlichen Besonderheiten, wie sie nachfolgend umschrieben werden.

google earth, bearbeitet

Langwies mit Fondei und Sapün

Hier entstanden typische Walsersiedlungen mit Grossfamilien. Über das karge und entbehrungsreiche Leben im Fondei erzählt Hans Mettier in seiner Schrift: Das Hochtal Fondei, siehe Startseite 9 Walsertäler.) Insbesondere im Sapün gibt es wenig einigermassen flaches Land, Lawinenzüge durchziehen die Abhänge und erschweren im Winter die Verbindung nach Langwies. Das Fondei (Fandei, Fndei, Fndäi) hingegen mit seinem weiten Talkessel ist deutlich wirtlicher, nur die Verbindung nach Langwies ist durch Lawinenzüge gefährdet. In dieser Abgeschiedenheit konnte sich der Walserdialekt gut erhalten. Die kurzen Vokale in Hof, Tag u.a. sind noch zu hören wie in Davos. In Peist und weiter talauswärts sind diese verloren gegangen.

Langwies – Foto: Uwe Oster, AZ 22.08.2014

Arosa, Sunnärüti, Litzirüti

Hans Mettier-Heinrich, Langwies, hat sich eingehend mit der Besiedlung durch die Walser befasst und sagt dazu: Die Rütenen (Litzi- und Sonnenrüti) wurden analog des mittleren, inneren und äusseren Prätschwaldes von den Leuten, die aus den Bergen Fondei, Sapün und Medergen herunter kamen, urbarisiert. Arosa wurde aber um dreizehnhundert schon von Davos aus direkt besiedelt und gehörte politisch noch jahrhundertelang zu Davos. Heute noch bestehen Doppelbürgerschaften. Zudem gibt es Mettier, die nicht Bürger von Langwies, sondern Doppelbürger von Davos und Arosa sind.

Arosa – Litzirüti – Sunnärüti – Langwies – Foto: A. Heinrich

Heute hat Arosa einen starken Kontakt zum Unterland, und ein grosser Teil der Bevölkerung ist von dort zugezogen. Arosa gleicht diesbezüglich Davos Platz und Davos Dorf. Auch die ersten Siedler wohnten da wie dort zerstreut und in bescheidenen Verhältnissen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Arosa#Politische_Gemeinde_Arosa

„Nach 1300 liessen sich aus Davos kommende, deutsch sprechende Walser in Arosa (1330 als Araus erwähnt) nieder … . Die Eröffnung der Chur–Arosa Bahn 1914 ermöglichte trotz schwierigem Umfeld mitten im Ersten Weltkrieg die Entwicklung Arosas zum eigentlichen Weltkurort. Damit einher ging eine tiefgreifende Neu- und Umgestaltung der alten Walsersiedlung, die ihren ursprünglichen Charakter wie auch die angestammte Walsersprache weitgehend einbüsste.“

Mittelschanfigg

Molinis – St. Peter mit Fatschel – Pagig – Foto: A. Heinrich

Wie in der obenstehenden Übersichtskarte ersichtlich, bildet das Mittelschanfigg mit den Orten Peist, St.Peter, Pagig und Molinis eine Einheit. Leider gibt es dazu fast keine Schriften, was in „Läsiblüescht“ damit begründet wird, dass im 20. Jahrhundert keine lokalen Druckereien mit angegliederten Zeitungen vorhanden waren wie im Prättigau und in Davos und damit wenig Anreiz bestand, Dialekttexte zu schreiben. Wer weiss, ob nicht doch auf einem Estrich noch alte Geschichten in Dialekt liegen.

Von Peist talauswärts sind die Flurnamen zu einem grossen Teil romanisch oder vorromanisch. Die Flurnamenkarte der Gemeinde Peist führt sie für Peist ausführlich auf und beschreibt sie kurz. Peist übernahm als erster Ort das Walserdeutsche aus Langwies. Die meisten Flurnamen sind erhalten geblieben, wenn auch oft nicht lautgerecht. So wird der Flurname Calpuz mit K gesprochen: Kalpuz.

Ausserschanfigg

Castiel – Foto: Andrea Heinrich

Christian Patts Wörtersammlung bezieht sich auf die drei Ortschaften Calfreisen, Lüen und Castiel im Ausserschanfigg. In Calfreisen, vor allem aber in Castiel und Lüen, sprechen alte Leute noch einen auffällig dunklen Dialekt, der Christian Patt beim Schreiben einige Mühe bereitet hat, wie er beklagt: Löüt (Leute), Hous (Haus), Peîschtl (Türpfosten), Pageîg (Pagig). Das e wird wie in wenn gesprochen. Auf der rechten Talseite des Ausserschanfiggs wirkte das Romanische am längsten nach und beeinflusste den Walserdialekt wie nirgends sonst im Tal. Patt schreibt aus seinen Jugenderinnerungen: Die Langwieser redeten wie die „Tafaaser, viil häller as wiär.“ Es gibt dazu ein Tondokument von Marie Fleisch, Lüen, mit der schriftlichen Fassung unter 9 Walsertäler auf der Startseite.

Lüen – Foto: Andrea Heinrich

Praden gehörte lange Zeit zum Gericht Langwies und hatte damit eine enge Beziehung zum Langwieser Dialekt. Tschiertschen hingegen gehörte zum Gerichtsbezirk Churwalden. Die Nähe zu Chur ist dem Dialekt nicht förderlich. Tschiertschen und Praden fusionierten auf den 1. Januar 2019, die neue Gemeinde Tschiertschen-Praden ist selbstständig geblieben, sie hat sich weder Arosa noch Chur angeschlossen.

Blick von Calfreisen nach Tschiertschen und Praden

Calfreisen mit der Burgruine Bernegg, Blick nach Tschiertschen (ganz links) und Praden (rechts). Die Plessur fliesst in einem tiefen, teils felsdurchsetzten Graben und trennt die Bevölkerung auf der anderen Talseite fast gänzlich von der diesseitigen ab. Früher allerdings gab es vereinzelt Fusswege mit Stegen über die Plessur.

Calfreisen – Foto: Andrea Heinrich

Maladers ist seit Menschengedenken stark auf Chur ausgerichtet. Viel vom Walserdialekt ist verloren gegangen. Auf den 1. Januar 2020 ist Maladers Teil von Chur.

Maladers